Langjährige Gewohnheit bedeutet noch lange nicht das Recht, dass Grundstück des Nachbarn zu überqueren, um zum eigenen Grundstück zu gelangen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun in einem aktuellen Urteil entschieden. RE/MAX Germany berichtet im Folgenden über den Fall.

BGH kippt Urteil in einem Nachbarschaftsstreit.

„Das haben wir doch immer schon so gemacht“, ist ein gern und oft verwendetes Argument. Vor allem wenn es darum geht, das eigene Verhalten zu ändern, wird es gerne vorgebracht. Doch aus jahrelanger Gewohnheit lässt sich nicht automatisch ein Rechtsanspruch ableiten.
So gelangten die Eigentümer dreier Häuser in Aachen nur zu ihren Garagen, wenn sie über das benachbarte Grundstück fuhren. Die Häuser stehen aneinandergereiht an der Straße, die dazugehörigen Garagen liegen auf den rückwärtigen Hausseiten.
Das lief jahrzehntelang reibungslos, bis die neue Nachbarin nach einem Eigentümerwechsel begann, ein abschließbares Tor zu bauen. Damit wollte sie den Weg versperren und das weitere Überqueren ihres Grundstücks unterbinden. Die anderen beiden Nachbarn klagten und beriefen sich dabei auf ihr Gewohnheitsrecht.

Kein Wegerecht aus purer Gewohnheit.

Das Oberlandesgerichts (OLG) Köln gab den Klägern zunächst Recht und sprach ihnen ein Wegerecht aus Gewohnheit zu. Das Gericht befand: Ein „unabhängig von geschriebenen Rechtsnormen“ existierendes Gewohnheitsrecht sei weitgehend anerkannt, eine „lang andauernde tatsächliche Übung sowie die Überzeugung der beteiligten Verkehrskreise“ vorausgesetzt.
Kein Tor und kein Schloss also? Die beklagte Eigentümerin akzeptierte das Urteil nicht. So gelangte der Fall schließlich vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Dieser kippte das Urteil des Oberlandesgerichts Köln. Der BGH entschied, dass die beiden klagenden Nachbarn sich nicht auf das Gewohnheitsrecht berufen dürfen (Az. V ZR 155/18).
Der BGH räumte zwar ein, dass es in der Tat ein ungeschriebenes Gewohnheitsrecht gibt. Allerdings gilt dies als allgemeine Regel nur für einen größeren Kreis von Beteiligten – etwa eine ganze Gemeinde. Ein Gewohnheitsrecht für einen Einzelfall existiert jedoch laut BGH nicht.

So geht es weiter im Nachbarschaftsstreit.

Die Senatsvorsitzende, Christina Stresemann, führte die weit verbreitete Annahme, man könne sich innerhalb vieler Jahre ein Wegerecht „erlaufen“ auf das preußische Allgemeine Landrecht von 1794 zurück. Dieses enthielt tatsächlich solch eine Regelung. Doch damit habe das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) bereits vor 120 Jahren Schluss gemacht. Der Fall geht nun zurück ans Oberlandesgericht. Dieses muss nun prüfen, ob den Klägern eventuell ein Notwegerecht gemäß §917 Abs.1 BGB zusteht. Doch das ist unwahrscheinlich, zumal die Garagen der Kläger baurechtlich nicht genehmigt sind.
Quellen: bundesgerichtshof.de, so süddeutsche.de, faz.net, news.immobiienwelt.de