Die Ermittlung und Neuberechnung der Grundsteuer, die ab 2025 gelten soll, sorgt bundesweit zunehmend für Aufregung. Florian Köbler , Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft DSTG, spricht von einem „Einspruchs-Tsunami“ gegen die Grundsteuerbescheide. Kritisiert werden sachliche Fehler, mangelnde Transparenz und Verstöße gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Grundsteuer im April 2018 in ihrer bisherigen Form für grundgesetzwidrig erklärt hatte, da sie gegen das Gleichheitsgebot verstieß, müssen nun 36 Millionen Immobilien bundesweit neu bewertet werden. Eigentümer und Mieter befürchten massive Erhöhungen der Grundsteuer. „Mittlerweile dämmert den Bürgern, wie stark die Belastungen durch die Reform sein werden“, konstatiert Eike Möller, Vizepräsident vom Bund der Steuerzahler Baden-Württemberg. Viele Eigenheimbewohner befürchteten eine finanzielle Überlastung oder gar, dass sie ihre Immobilie nicht mehr halten können, so Möller. Komplizierte Formulare und schwer nachvollziehbare Berechnungsgrundlagen erschweren es zudem, die künftige Steuerlast zu ermitteln. Bei Ablauf der verlängerten Abgabefrist für die Grundsteuererklärung am 31. Januar fehlten noch 30 Prozent der Formulare. (Bayern, eines der fünf Bundesländer mit eigenem Berechnungsmodell, hat die Frist vorsorglich bis 30. April verlängert.)
„Einspruchs-Tsunami“ erwartet
An der neuen Grundsteuer – laut Bundesfinanzministerium „unbürokratisch, fair und verfassungsfest“ – gibt es massive Kritik. Mittlerweile mehren sich Expertenstimmen, die dazu raten, vorsorglich Widerspruch gegen die Bescheide vom Finanzamt einzulegen. Staatsrechtler und Steuerexperte Gregor Kirchhof hält das neue Bundesmodell, das in neun Bundesländern gilt, sogar für verfassungswidrig. Es sei zu kompliziert, nicht gleichheitsgerecht und nutze zu wenig stringente Parameter. Insbesondere die Bodenrichtwerte, die von Gutachterausschüssen anhand aktueller Kaufpreise für Immobilien ermittelt werden, seien zu unscharf. Dagegen will auch der Eigentümerverband Haus & Grund klagen: Es sei absurd, dass der Plattenbaukiez in Ostberlin mit 1.300 Euro einen höheren Bodenrichtwert habe als die Villengegend am Wannsee mit 1.200 Euro. Der Verband kritisiert auch die in vielen Fällen zu hoch angesetzte Berechnung der theoretischen Mieteinnahmen selbstgenutzter Immobilien.
In Baden-Württemberg fühlen sich Eigentümer durch das „Bodenwertmodell“ bestraft, bei dem allein die Fläche zählt und nicht die Art der Bebauung. So kann für ein großes Mietshaus dieselbe Grundsteuer fällig werden wie für Omas kleines Häuschen.
Gesetzesänderungen sind möglich
Nachbesserungen am neuen Gesetz sind also durchaus möglich, auch wenn Verbesserungsvorschläge von den Zuständigen bislang ignoriert wurden. Immerhin könnten durch verfassungsrechtliche Korrekturen viele Verfahren vermieden werden. Der Bund der Steuerzahler rät, vorsorglich Einspruch einzulegen, auch wenn die Bescheide keine sachlichen Fehler enthalten – und zwar innerhalb der Frist von 30 Tagen: „Durch den Einspruch stoppen Sie den Fristablauf, bekommen mehr Zeit zur Prüfung und können reagieren, wenn Teile der Regelung von Gerichten wieder kassiert werden“, rät Steuerberater Oliver Hagen Eigentümern in einem Interview mit spiegel.de.
Die Formel für die Berechnung der Grundsteuer lautet: Grundsteuerwert x Steuermesszahl x Hebesatz. Bei all dem Justieren der Parameter für den Grundsteuerwert darf also nicht übersehen werden, dass es letztendlich der von den Städten und Gemeinden bestimmbare und jährlich neu festzusetzende Hebesatz ist, der als dritter Berechnungsfaktor maßgeblich über die künftige Höhe der Grundsteuer entscheidet. Im Zuge der Reform soll der Hebesatz zwar möglichst aufkommensneutral angepasst werden, da die meisten Kommunen jedoch knapp bei Kasse sind, wäre eine Steuererhöhung durch die Hintertür durchaus möglich.
Grundsteuerwertbescheid genau prüfen
Vorerst jedenfalls lautet das Fazit: Prüfen Sie insbesondere den Grundsteuerwertbescheid gründlich auf Fehler (z. B. in puncto Wohnfläche, Bodenrichtwert oder Mietwert), er ist die Basis für alle weiteren Bescheide. Legen Sie ggf. innerhalb eines Monats Einspruch ein. Versäumen Sie die Frist, haben Sie später kaum noch eine Chance, an der Bewertung Ihres Grundstücks etwas zu ändern. Musterbriefe für den Einspruch gibt es auf steuerzahler.de. Rat und Hilfe zur Grundsteuerberechnung sowie Infos zu Fristen und Fallstricken findet man zum Beispiel auf wohnglück.de.
Quellen: bundesfinanzministerium.de, tagesschau.de, fr.de, wohnglueck.de, handelsblatt.com, spiegel.de, focus.de, wohneigentum.nrw, wiwo.de, haufe.de