Lange ging man von einem Rückgang der Bevölkerung in Deutschland aus. Jetzt müssen die demographischen Prognosen korrigiert werden. Der starke Zustrom von Flüchtlingen im vergangenen Jahr stellt den Wohnungsmarkt vor eine riesige Herausforderung. 
Jahrelang wurde zu wenig gebaut, 140.000 Wohnungen waren es zuletzt pro Jahr. Der Nachholbedarf ist immens: Gutachten des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln gehen von einem jährlichen Bedarf von zwischen 402.000 und 447.000 Wohneinheiten (WE) für die Jahre 2015 bis 2020 aus, je nachdem wie sich der Nachzug von Familienmitgliedern der Asylberechtigten gestalten wird. Bauministerin Barbara Hendricks (SPD) hatte lediglich von einem Bedarf von rund 350.000 WE pro Jahr gesprochen. 

Immobilien beschlagnahmt

So groß ist die Wohnungsnot, dass man in einigen Städten bereits dazu überging, Gewerbeimmobilien zu beschlagnahmen. Die Stadt Hamburg hat verfügt, dass Gewerbeimmobilien auch gegen den Willen des Eigentümers als Unterkunft nutzbar sind. Bremen plant eine ähnliche Regelung. In Berlin-Kreuzberg sollen für die Unterbringung von Flüchtlingen sogar unvermietete Privatwohnungen beschlagnahmt werden. Das erlauben nämlich die Polizeigesetze der Länder den Städten und Kommunen im Notfall, zumindest vorübergehend, wenn alle anderen Möglichkeiten der Unterbringung ausgeschöpft sind. 

„Keine Enteignungen“ 

Wenn die Grenze zum Privatbesitz von Rechts wegen überschritten wird, steht schnell das Schreckgespenst der Enteignung im Raum. Bauministerin Hendricks signalisiert Entwarnung: „Enteignungen kommen für uns nicht in Betracht, auch keine Zwangseinweisungen von Flüchtlingen“, erklärte sie im Herbst gegenüber dem Handelsblatt. 
Unruhe verbreitet sich auch unter den Mietern, die künftig wohl tiefer in die Tasche greifen müssen. Einige Gemeinden sprachen sogar Kündigungen aus, um Asylbewerber unterbringen zu können. Dies ist nach § 573 des BGB auch erlaubt, da in diesem Fall ein „berechtigtes Interesse des Vermieters“ vorliegt. Politischer Wille kann eine solch heikle Maßnahme jedoch nicht sein, da sich einkommensschwächere Bürger, die bezahlbaren Wohnraum suchen, zu Recht benachteiligt fühlen würden. Die Folge wäre nicht nur ein sozialer Kampf auf dem Wohnungsmarkt, sondern wohl auch das Ende der „Willkommenskultur“. 

Das neue Asylgesetz 

Um die Situation zu entschärfen, wollen Bund und Länder 150.000 Erstaufnahmeeinrichtungen schaffen. Damit bezahlbare Unterkünfte schneller entstehen können, sollen Bauplanungsrecht und energetische Vorgaben (EnEV 2016) vorerst gelockert werden. 
Quellen: bundestag.de, bundesregierung.de, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen GdW, Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW), zeit.de, spiegel.de, Handelsblatt.